Europäische Tag der Jüdischen Kultur 2020

Torarollen

Über viele Jahre hinweg bereicherte das jüdische Leben mit seinen vielfältigen künstlerischen und religiösen Erscheinungsformen das kulturelle Geschehen in Europa.  Die Machthaber des Nationalsozialismus löschten jedoch innerhalb kürzester Zeit mit ihrem planmäßig durchgeführten millionenfachen Mord an der jüdischen Bevölkerung jegliches jüdische Kulturleben radikal aus. Es dauerte Jahrzehnte, bis sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs wieder jüdische Gemeinden gründeten und Gemeindezentren und Synagogen gebaut wurden. Jüdische Menschen fassten nur schwer Fuß in den Nachkriegsgesellschaften. So rief die „Europäische Vereinigung für die Bewahrung und Förderung von Kultur und Erbe des Judentums“ 1999 einen Aktionstag ins Leben, um das europäische Judentum, seine Geschichte, Traditionen und Bräuche in die öffentliche Wahrnehmung zu rücken. Mittlerweile wird diese jährliche Unternehmung, die jeweils am ersten September-Wochenende stattfindet, von zahlreichen Institutionen, Einrichtungen und Gemeinden in fast dreißig Ländern mitgetragen. Auch für die Israelitische Gemeinde Freiburg ist es gute Tradition, sich  zu beteiligen und den Tag mit einem abwechslungsreichen Programm zu gestalten.

Nach der Begrüßung und Einführung in das Veranstaltungsprogramm durch die Vorstandsvorsitzende Irina Katz, die zugleich auch deutlich auf die notwendigen Hygiene-Vorschriften angesichts der Ansteckungsgefahr durch das Corona-Virus hinwies, lud Kantor Moshe Hayoun zu einer Führung durch die Synagoge ein. Dabei gab er den Anwesenden ausreichend Gelegenheit, Fragen zur Geschichte des Judentums, zu religiösen Ritualen und Vorschriften und zum jüdischen Brauchtum allgemein zu stellen.
Die Kinder interessierte vor allem die Tora-Nische, in die der Kantor sie auch einen Blick hineinwerfen ließ.

Am Nachmittag waren mehr als einhundert Personen zum alten jüdischen Friedhof an der Elsässer Straße gekommen, um an einem Gang mit Felix Rottberger über die nun einhundertfünfzig Jahre alte, geschichtsträchtige Begräbnisstätte teilzunehmen. Zahlreiche bedeutende Freiburger Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kultur fanden hier ihre letzte Ruhestätte. Mit Charme und Humor berichtete der langjährige Kustos des Friedhofs an einigen ausgewählten Gräbern interessante und außergewöhnliche Details aus dem Leben der dort Bestatteten.  

Irina Katz spricht zu Gemeinde auf dem Friedhof
Gemeinde versammelt auf Friedhof
Gemeinde versammelt auf Friedhof
Gemeinde versammelt auf Friedhof

Ein Vortrag  „40 Jahre Wüstenwanderung, 40 Jahre Isolation – Bildung des jüdischen Volkes in Quarantäne“ folgte am späteren Nachmittag in der Synagoge. Der Referent Igor Itkin, Studierender am Rabbinerseminar in Berlin, setzte sich im besonderen mit dem vierzigjährigen Aufenthalt und Umherirren des Volkes Israel in der Wüste auseinander. Das 20. Kapitel des Buches Ezechiel berichtet ausführlich über diese Strafe, die Gott  über sein auserwähltes Volk verhängt hat. Nichtbeachtung der göttlichen Rechtsvorschriften und Gesetze sowie Bruch des Shabbat-Gebotes der Israeliten waren vorausgegangen. Die Frage, inwieweit die göttliche Strafe des langjährigen und beschwerlichen Wüstenaufenthalts des israelitischen Volkes mit dem heutigen Leben in der Pandemie verglichen werden kann, wurde zwar in der Diskussion angesprochen, aber letztendlich nicht weiter verfolgt.

Irina Katz und Igor Itkin
Igor Itkin Vortrag
Igor Itkin Gemeinde

Ein abendliches Konzert „Jüdische und jiddische Lieder für die Seele“ beschloss den Ausflug in die jüdische Kultur. Kantor Michael Kaner aus Graz und seine Tochter Yael (Gesang) wurden begleitet von Lili Holetschek (Violine) und Assaf Picov (Klavier) und erfreuten mit vielen schönen und bekannten Liedern wie Avinu Malkenu, Shalom Alechem oder Jerushalajim shel zahav. Jüdische Anekdoten, Witze und Geschichten, die Michael Kaner immer wieder zwischen den einzelnen Musikstücken platzierte, ergänzten das Programm. Bevor sich die Vorsitzende Irina Katz bei den Künstlern bedankte und zum koscheren Buffet bat, trugen die beiden Kantoren abschließend gemeinsam die israelische Nationalhymne haTikwa vor.

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