Gedenken anlässlich des 80. Jahrestags der Deportation nach Gurs

Strassenschild-Gurs

Auf dem Platz der Alten Synagoge in Freiburg  steht ein gelbes Hinweisschild mit der Entfernungsangabe „GURS 1027 Km“, ein ungewöhnliches Mahnmal, das an ein unfassbares und unmenschliches Verbrechen des nationalsozialistischen Terror-Regime erinnern soll. In einer groß angelegten und akribisch durchgeplanten Verhaftungsaktion wurden am 22. Oktober 1940 rund 6500 jüdische Menschen in Baden, im Saarland und in der Pfalz zusammengetrieben und wie Vieh in Güterwaggons in das südfranzösische Camp de Gurs verfrachtet, unter ihnen auch 350 Freiburger jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger. Der Transport quer durch Frankreich bis an den Fuß der Pyrenäen dauerte drei Tage und vier Nächte, nicht wenige fanden infolge der Strapazen den Tod.

Mit einer Reihe von Veranstaltungen erinnerten verschiedene Freiburger Institutionen und Einrichtungen an den 80. Jahrestag der Deportation jüdischer Menschen nach Gurs. Auch die Israelitische Gemeinde Freiburg lud durch ihre Vorsitzende Irina Katz zum gemeinsamen Erinnern ein.

Plakat Familie Spronz

In einem multimedialen Vortrag mit Filmausschnitten, Fotos, Originaldokumenten und Musikstücken berichtete Gaby Spronz, Sohn von Überlebenden des Holocaust, am Dienstagabend, den 20. Oktober von der Geschichte seiner jüdischen Verwandtschaft. Aus Spanien stammend – der Name Spronz = Esperanza verweist auf die Familienwurzeln – flüchtete die Familie im Mittelalter aufgrund der Judenverfolgungen infolge des Alhambra-Ediktes von 1492 nach Italien und später weiter nach Ungarn. Im Dritten Reich geriet sie dort in die Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten. Nur wenige entkamen den Verhaftungen und den KZ-Lagern. Die Eltern von Gaby Spronz hatten das Glück und flüchteten nach Israel. Dort halfen sie mit, den Staat Israel zu gründen. Zum Abschluss seines Vortrages benannte der Referent eine Reihe von Institutionen und Firmen, die den Nationalsozialisten bei der Ausrottung der jüdischen Bürger behilflich waren. Er erwähnte aber auch verschiedene Personen, die bedrohten Juden geholfen hatten und deren Namen in der Gedenkstätte Yad Vashem ehrend als „Gerechte unter den Völkern“ aufgeführt sind.  

Musikact vor Gemeinde
Mann vor Laptop
Musik mit Instrumenten
Praesentation vor Gemeinde
Praesentation vor Gemeinde Beamer

Zuvor am Nachmittag hatte Felix Rottberger bei einer Führung über den 150 Jahre alten jüdischen Friedhof an der Elsässer Straße anhand verschiedener Grabsteine über jüdische Familiengeschichten berichtet, die eng mit der Stadt Freiburg verwoben sind.

Fuehrung Friedhof

Im Zuge der Arisierung, auch Entjudung genannt, die im Deutschen Reich systematisch ab der Machtergreifung im Jahr 1933 von den Nationalsozialisten betrieben wurde, verloren auch in Freiburg zahlreiche jüdische Geschäftsleute ihre Existenzgrundlage. Bernd Serger, ehemals als Redakteur bei der Badischen Zeitung tätig und bestens vertraut mit diesem dunklen Kapitel Freiburger Stadtgeschichte, referierte am Donnerstagnachmittag, den 22. 10. 2020 auf einem Gang zu verschiedenen ehemaligen Geschäftshäuser jüdischer Unternehmer über deren ausweglosen Weg in den Ruin infolge der staatlichen Enteignungsmaßnahmen.

Fuehrung Gemeinde
Mann zeigt Blaetter
Frau liest Blaetter
Fuerhrung durch Innenstadt

Die Führung endete am Mahnmal „Vergessener Mantel“ auf der Wiwili-Brücke am Hauptbahnhof. Nur wenige Meter entfernt befand sich seinerzeit der zentrale Sammelplatz, von dem aus die Bahntransporte ins südfranzösische Camp de Gurs ihren Anfang nahmen. An dem Gedenkort, geschmückt mit Blumengebinden der Freiburger Stadtverwaltung und der Israelitischen Gemeinde, sprach der Kantor der Gemeinde Moshe Hayoun ein Totengebet, nachdem zuvor Gabriele Schlesiger einen Brief von Maria Jost vorgelesen hatte, der die Vorgänge der Verhaftung und des Abtransportes der jüdischen Menschen detailliert beschreibt.

Gedenkstaette
Rede vor Gedenkstaette
Gemeinde an Gedenkstaette
Rede an Gedenkstaette Mann

Die zentrale Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Deportation der Freiburger Jüdinnen und Juden nach Gurs fand wenig später auf dem Platz der Alten Synagoge vor dem mit mehr als tausend Rosen geschmückten Brunnen statt. Veranstalter waren neben weiteren Partnern das Kulturamt der Stadt Freiburg und die Israelitische Gemeinde Freiburg. In Vertretung von Oberbürgermeister Martin Hornbegrüßte Bürgermeister Ulrich von Kirchbach die rund 300 Anwesenden und betonte die Notwendigkeit, immer wieder an die verbrecherischen Taten der Nationalsozialisten zu erinnern, damit niemand, wie verschiedentlich von einigen Politikern versucht wird, die Verfolgung und Ermordung jüdischer Menschen verleugnen kann. Angesichts des aktuell wieder auflebenden Antisemitismus ist jeder einzelne wie auch die Gesamtgesellschaft gefordert, sich den geschichtlichen Fakten zu stellen. Irina Katz, Vorstandsvorsitzende der Israelitischen Gemeinde, stellte Kurt Maier aus Kippenheim in den Mittelpunkt ihrer Rede. Als zehnjähriger Bub wurde Maier zusammen mit seinen Eltern am Morgen des 22. Oktober 1940 verhaftet und nach Gurs deportiert.

In einem bewegenden Text schildert er die Erlebnisse, denen er ausgesetzt war, auf dem Bahntransport nach Gurs und im Lager selber. Kurt Maier überlebte die Lagerinhaftierung und gibt als Zeitzeuge seine Erlebnisse weiter. „ Wir sind“, so Irina Katz wörtlich, „Kurt Maier außerordentlich dankbar für sein unermüdliches Engagement, über die grausamen Erlebnisse zu berichten, trotz seiner persönlichen Betroffenheit und der damit verbundenen psychischen Belastung. Seine Bereitschaft und auch die Bereitschaft der anderen Überlebenden, Zeugnis abzulegen über die dunkelste Epoche in der deutschen Geschichte, vor allem auch vor jungen Menschen, ist ein unverzichtbarer Schritt auf dem Weg zum notwendigen allgemeinen Konsens, dass sich dieses verbrecherische Tun niemals wiederholen darf. Die Erinnerung an diese Zeit und die leidvolle Geschichte der Opfer darf nicht ausgelöscht werden. Es muss eine Gedenkkultur etabliert werden, die in unserer Gesellschaft und im öffentlichen Leben fest verankert ist.“ Cornelia Haberlandt-Krüger von der Egalitären Jüdischen Gemeinde mahnte in ihrem Redebeitrag, jüdische Menschen nicht als Opfer zu sehen, sondern als Bürgerinnen und Bürger, die in jeder Beziehung ein Teil unserer Gesellschaft sind. Berichte und Briefe von Gefangenen sowie Anordnungen der Behörden, ausgewählt und zusammengestellt von Andreas Meckel, vorgetragen von der Schauspielerin Natalia Herrera und dem Sprecher Achim Barrenstein, geben dem damaligen schrecklichen Geschehen ein reales Gesicht. Mit dem Gebet für die Opfer des Holocaust „El Male Rachamim – Gott voller Erbarmen“, das Kantor Hayoun anstimmte, fand die Gedenkfeier ihren Abschluss

Blumen Gedaenkstaette
Mann redet
Rabiener redet
Rede Mann Frau
Frau redet zu Gemeinde
Gedenkstaette mit Blumen
Mann legt Blume nieder
Frau legt Blume nieder

Zur Erinnerung an die Freiburger jüdischen Männer, Frauen und Kinder, die nach Gurs deportiert und von dort weiter in andere Konzentrationslager transportiert worden waren, hatte der Vorstand der Israelitischen Gemeinde am Donnerstagabend zu einem Konzert in den Gertrud-Luckner-Saal des Gemeindezentrums eingeladen. Zu Gast als Interpreten waren Itay Dvor (Klavier), Detlef Bensmann, Lilly Paddags (beide Saxophon) und Jardena Flückiger (Gesang). Auf dem Programm standen Musikstücke Berliner jüdischer Komponisten und Komponistinnen aus der Zeit vor der Machtergreifung 1933 und gegenwärtige Werke. Ermöglicht wurde das Konzert mit der Unterstützung durch den Zentralrat der Juden in Deutschland mit Sitz in Berlin.

Gemeinde hoert Musik
Musikact
Mann spielt Saxophon
Gemeinde gedenkt
Mann an Piano
Musikact Gesang